Die große Qualität des Projekts Kö-Bogen II liegt in der städtebaulichen Setzung. Die solitäre Ausstrahlungskraft der frisch sanierten Architekturikonen und Baudenkmale des Dreischeibenhauses und des Schauspielhauses in Düsseldorf werden gestärkt. Mit dem nördlich angrenzenden Hofgarten stellt das Projekt dazu gemeinsam den grünen Rahmen her. Dies aber nicht in Form einer Grünanlage, sondern als intensiv begrüntes Bauwerk, dessen abgeschrägte, bewachsene Fassaden und Dächer der „Land Art“ entliehen sind. Der Verfasser spricht von einem Paradigmenwechsel der Abkehr von der autogerechten, steinernen Stadt hin zur grünen, klimaangepassten Stadt des menschlichen Maßstabs. Es gehe darum, der Stadt so viel wie möglich unversiegelte Grün- und Naturfläche zurückzugeben, die durch die bauliche Inanspruchnahme des Bodens verloren gehen. Rechnerisch sind das der komplette Fußabdruck des Gebäudes und die Fassade, d.h. 140 Prozent der Grundfläche werden begrünt. Das Nebengebäude bietet sogar ein öffentlich begehbares, zehn Meter hohes, schräges Grasdach. Aus einem „entweder Bauwerk oder Grün“ wird ein „sowohl als auch“.
Der Kö-Bogen II ist zunächst ein komplexes, gegenwärtige Nachhaltigkeitsstandards erfüllendes Immobilienprojekt: Eine mehrgeschossige Handelsimmobilie mit Büroflächen in den Obergeschossen, unterirdisch mit Parkgeschossen und mit einem Nahversorger im Tiefgeschoss. Die Haustechnik ist konventionell ausgeführt und, inklusive der Klimaanlage für die Shops, auf dem begrünten Dach untergebracht. Die Bauweise, die technische Gebäudeausrüstung und die energetischen Versorgungssysteme unterschreiten hier die Anforderungen der Energieeinsparverordnung 2016. Der Kö-Bogen II ist in seiner gesamten Ausführung mit DGNB Platin vorzertifiziert, die Bauprodukte sind entsprechend dieser Anforderung ausgewählt.
Die großvolumigen Grünfassaden wurden durch die spezifische Nutzung möglich: Die vier Handels- und Gastronomieetagen benötigen keine Fenster zum Platz. Nach Osten sowie nach Süden zur Schadowstraße, eine der meistfrequentierten
Einkaufsstraßen Deutschlands, bildet der Kö-Bogen II gebäudehohe, städtische Glasfassaden aus. Konzeptionell bietet das Projekt demgegenüber im wahrsten Sinnen des Wortes eine grüne Schauseite. Die grünen Platzfassaden sowie das Schrägdächer werden zum Symbol und Superlativ für eine neue Dimension von Grün und Natur in der Stadt („Europas größte Grünfassade“). Die 35.000 vorgezogenen Hainbuchen-Heckenpflanzen sind in mehr als 500 Pflanztrögen untergebracht und ergeben eine insgesamt acht Kilometer lange Hecke, die vom Grünvolumen her mit 80 großen Bäumen vergleichbar ist. Das in die Tragkonstruktion integrierte Be- und Entwässerungssystem speist sich im Wesentlichen aus Regenwasser. Für die Phasen, in denen das Regenwasser nicht ausreicht, wurde eine bedarfsorientierte, sensorgesteuerte Tropfbewässerung installiert. Andererseits wird der drei Mal jährlich stattfindende Heckenschnitt bewusst als Lowtech-Lösung per Hand durchgeführt. Der Investor wurde durch einen städtebaulichen Vertrag verpflichtet, die Qualität der Grünfassade für 99 Jahre zu garantieren. Das derzeit laufende Monitoring des Begrünungssystems liefert Erkenntnisse für Betrieb und Wartung der Fassade. Hier leistet das Vorhaben Pionierarbeit für künftige Bauvorhaben mit intensiver Fassaden- und Dachbegrünung.
Die Jury sieht in dem Projekt den ambitionierten Versuch, Bauen, Technik und Natur zu verbinden und im Sinne einer neuen Qualität einer grüneren, menschlicheren Stadt wirksam werden zu lassen.
Projektbeteiligte: Bauherr: CENTRUM Projektentwicklung GmbH, Düsseldorf; B&L Gruppe, Hamburg / Architektur: ingenhoven architects / Projektmanagement: AIP Bauregie GmbH, Düsseldorf / Tragwerksplanung: Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Düsseldorf / Geotechnische Beratung: ICG Düsseldorf GmbH & Co. KG / Phytotechnologie / Spezielle Bauwerksbegrünung: Prof. Dr. Strauch, Beuth Hochschule für Technik, Berlin / Beratung für Vegetationsökologie Prof. Dr. Reif, Albert-Ludwigs-Universität,Freiburg