Jurybegründung zur Nominierung

Casa Rossa, Chemnitz

Die Rettung des maroden, vom Einsturz bedrohten Gebäudes, der Umgang mit der vorgefundenen Bausubstanz und das respektvolle Weiterbauen bilden gemeinsam den Beispielcharakter der Sanierung des Gründerzeitgebäudes in der Blockrandstruktur in Chemnitz.

Nur durch eine Zwangsversteigerung konnte der vollständige Verfall des Gebäudes, 30 Jahre nach der Wende, verhindert werden. Eine mutige Entscheidung der Bauherren – ein Politologe und zwei Architekten – das Risiko einzugehen, die Ruine zu kaufen, mit dem Ziel sie wieder gebrauchstüchtig zu machen. Die Philosophie und Herangehensweise der Bauherren, führt zu einem eigenwilligen und besonders interessanten Umbaukonzept. Jenseits von bekannten Sanierungsergebnissen werden die Spuren der Veränderung über die Jahrzehnte sichtbar und führen zu einem außergewöhnlichen interessanten, ruppigen und vielleicht auch umstrittenen Ausdruck des Gebäudes.

Das historische Mauerwerk aus Reichsformat-Ziegeln von 1910 bestimmt Inneres wie Äußeres der Casa Rossa. Die Fassade wirkt wie entkleidet, alle Unregelmäßigkeiten werden sichtbar und formen das äußere Bild des Hauses zwischen den gut restaurierten Putzfassaden der Nachbargebäude. So wird die Fassade auch Symbol und Ausdruck der respektvollen, eigenwilligen Sanierung, die die Eingriffe und Veränderungen durch das Jahrhundert offen zeigt und somit den Gestaltungswillen der ArchitektInnen scheinbar hintenanstellt, um nur das Gebäude sprechen zu lassen.

Auch bauphysikalische Schwachstellen, wie an den Fensteröffnungen wurden durch unkonventionelle Eingriffe gelöst. Die gedämmten Fensterfutter geben dem Haus ein zeitgemäßes Element ohne den Gesamtcharakter zu beeinträchtigen.

Konstruktiv haben die Architekt*innen angemessen und zielführend agiert. Die zerstörten Holzbalkendecken wurden durch Ziegel-Einhangdecken ersetzt. An anderer Stelle abgebrochene Steine wurden für die Innenwände weiterverwendet. Die gedämmte Gebäuderückseite und das neu aufgebaute Dachgeschoss werden als Potenziale für die Erfüllung von Gebäude-Energiewerten, aber auch von zeitgemäßen Ansprüchen an großzügige Wohnraumgestaltung und Belichtung gesehen. Durch das Aufklappen der hofseitigen Dachform wird ein zweigeschossiger Raum mit Galerie hergestellt.

Die intelligente Konzeption und die unerschrockene Herangehensweise zeigen in vorbildlicher Weise den Umgang mit einer Gebäuderuine, von dem man nur hoffen kann, dass er Schule macht und als ernstzunehmende Alternative zur Luxussanierung gesehen wird. Die Ästhetik des Imperfekten und der minimalistische Ansatz machen die Casa Rossa zu einem Pionier der Umbauwende.

Projektbeteiligte: Bauherr: Bodensteiner Fest Stroux GbR / Architektur: bodensteiner fest, München / Objektüberwachung: Matthias Taube / Bauphysik: IB Kundisch