Stefan Wagner erzählt uns in diesem aktuellen Interview, wie wichtig für ihn schon seit Jahrzehnten das Thema Nachhaltigkeit und Sport ist.
• Was hat Dich dazu bewogen inspiriert, dich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu engagieren? Gab es einen entscheidenden Moment oder ein Ereignis, der bei dir ausschlaggebend war, etwas zu tun?
Stefan Wagner: Ich habe 2008 mit meinem beruflichen Einstieg beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV u.a. die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts übernommen und mich dabei - ein grundsätzliches Interesse war natürlich schon vorher da - erstmals ernsthafter mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandergesetzt. In dem Zuge traf ich auf Klaus Milke, u.a. Gründer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation German Watch und der NGO atmosfair. Wir haben den Austausch auch über sportliche Krisen hinweg fortgeführt. Er hat mich sehr inspiriert. Das war der Beginn für ein starkes Interesse und auch einige Weiterbildungen.
• Was war der schönste Moment seit deiner Aktivität?
Stefan Wagner: Es gibt da nicht diesen einen Moment. Dass wir es beim Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim, für die ich als Externer die Stabsstelle Unternehmensentwicklung leiten darf, gemeinsam hinbekommen haben, das Thema ganzheitlich und mit Blick auf Geschäftsmodelle zu betrachten, ist beispielsweise ein Riesenschritt. In dieser Rolle fallen mir auch der Launch unserer Textilmarke umoja – das ist Swahili und bedeutet „Einheit“ – ein, die wir mit sehr viel Engagement mit Partnern in Uganda produziert haben oder die Bildung einer „Common Value Club Alliance“ mit Klubs mehrerer Kontinente. Spannend war zudem die Gründung von „Sports for Future“ und jetzt „SPORTS20“ als internationales Netzwerk. Hier haben wir ein einzigartiges Rahmenwerks mit Blick auf das Erreichen der SDGs entwickelt.
• Wie integrierst du nachhaltige Praktiken im Alltag und der sportlichen Karriere?
Stefan Wagner: Ich bin beruflich fast ausnahmslos mit dem Zug unterwegs. Privat haben wir einen Stromer, Photovoltaik und Solarpanels auf dem Dach, wir beziehen seit vielen Jahren Ökostrom, kompensieren den CO2-Fußabdruck unseres Beratungsbüros, kaufen Bioprodukte, haben unseren Fleischkonsum deutlich eingeschränkt, setzen uns ehrenamtlich für mehr Klimaschutz ein. Aber man integriert Nachhaltigkeit nicht irgendwie. Wir alle sollten das Thema ins Zentrum holen: ins Zentrum Sporttreibender, eines Klubs, eines Unternehmens, einer Institution, einer Veranstaltung.
• Welche Rolle spielen deiner Meinung nach Sportler:innen und Sportveranstaltungen bei der Förderung von Nachhaltigkeit?
Stefan Wagner: Sie sind prädestinierte Multiplikatoren. Aber wir neigen auch zum „Whataboutism“, also zum Vorwurf, wie man sich denn als Spitzensportler:in mit mitunter erheblichem Reiseaufwand für Nachhaltigkeit einsetzen will. Das macht es für Sportler*innen nicht so leicht. Das ist zugleich Ausdruck eines Kernproblems, denn wir betrachten das Problem nicht systemisch, sondern individualisieren es.
• Kannst du erkennen, dass ihr durch eure Initiative „Sports for Future“ schon etwas erreicht habt?
Stefan Wagner: Als wir 2019 Sports for Future gegründet haben, gab es noch wenig konkrete ökologische Verantwortungsübernahme im und durch den Sport. Das ist heute anders, und Sports for Future spielt darin eine gute Rolle. Inzwischen haben wir 550 Unterzeichner:innen versammelt, die mehr als 25 Millionen Sportler*innen weltweit repräsentieren. Gemeinsam haben wir den Sport aufs Spielfeld der Klimakrise gebracht und dabei über Projekte auch fast 110.000 Bäume im globalen Süden und 110.000 Mangroven gepflanzt, rund 10.000 Fußballfelder Wald geschützt und bei unseren Aufforstungs- und Bildungsprojekten mehr als 90.000 Schüler*innen involviert. Es ist aber müßig und auch unwichtig, wie groß wessen Anteil ist. Man muss vor allem sagen, dass der eigentliche Impuls von Seiten der nachfolgenden Generationen kam und nicht in erster Linie von uns als diejenigen, die nicht nur die Verantwortung für die Krise tragen, sondern auch die wesentlichen Hebel in den Händen halten. Das sollte nachdenklich stimmen.
• Deine Empfehlung, sich für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Sport zu bewerben?
Stefan Wagner: Eine Erkenntnis der vergangenen Jahre ist doch entscheidend: Jede und jeder kann den Unterschied machen. Dafür müssen wir einander anstiften. Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist dafür ein hervorragender Anlass und ein wichtiges Beispiel.
• Wie motivierst du andere Sportler:innen und deren Fans, umweltbewusster zu handeln und nachhaltige Entscheidungen zu treffen?
Stefan Wagner: Sport ist ebenso wie Klima- und Umweltschutz eine Gemeinschaftsaufgabe. Auch wenn wir Vieles nur im Großen lösen können – jede*r Einzelne ist verantwortlich für den nächsten kleinen Schritt und dafür, den Boden für die notwendige Veränderung zu bereiten, anstatt Ängste zu schüren.
• Welche positiven Veränderungen hast du bereits durch dein Engagement für Nachhaltigkeit beobachtet, sei es in deinem persönlichen Umfeld oder im größeren Sportkontext?
Stefan Wagner: Die grundsätzliche Bereitschaft vieler Menschen, Verantwortung anzunehmen.
• Gibt es spezifische Herausforderungen oder Hürden, denen du begegnet bist, während du dich für Nachhaltigkeit eingesetzt hast, und wie hast du diese überwunden?
Stefan Wagner: Nachhaltigkeit wird immer wieder als Bürde betrachtet, die man nur bedingt schultern kann, um das sogenannte Kerngeschäft nicht zu gefährden. Wir müssen den Blick daher auf die Chancen richten. Sowohl im Großen, weil es ohne nachhaltige Veränderung keine gute Zukunft gibt, als auch im Kleinen - mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit des eigenes Geschäftsmodells etwa.
• Gibt es „Lifehacks“ wie jede oder jeder von uns auch mit wenig Aufwand etwas bewirken kann?
Stefan Wagner: Mir ist wichtiger, dass wir mit viel Aufwand viel bewirken und alles gewinnen können.