Jurybegründung zur Nominierung

Erweiterung und Sanierung Mehrzweckhalle, Ingerkingen

Mit der Mehrzweckhalle in Ingerkingen gelingt es dem Architekturbüro Atelier Kaiser Shen, dem Konzept des Weiterbauens ein überzeugendes Gesicht zu geben. Die Architekten entschieden sich im Wettbewerb bewusst dazu, etwa 60 Prozent der ursprünglichen Halle zu bewahren. Das Gebäude diente bereits über 60 Jahre als sozialer Treffpunkt der Gemeinde und war als identitätsstiftender Ort für die Bevölkerung von essenzieller Bedeutung.

Heute bietet auch das sanierte Gebäude neben der Funktion als Mehrzweckhalle einen Ankerpunkt für viele dörfliche Aktivitäten in der unmittelbaren Nachbarschaft. Auf dem südlichen Vorplatz finden Feste und größere Veranstaltungen der Gemeinde statt. Ebenso bietet die sanierte Halle dem Schulhof im Westen und der Feuerwehr im Norden einen funktionalen Ort für Aktivitäten aller Art: Ein Haus ohne Rückseite. Ein wichtiger Baustein für das soziale Miteinander in Ingerkingen.

In dem gekonnten Umbau wurde mit wenigen, aber gut gesetzten Maßnahmen die bestehende Halle auf aktuelle DIN-Normen einer Einfeldhalle angepasst. Die in diesem Zuge nach Süden versetzte Fassade öffnet sich zum Festplatz, das überkragende Pultdach schützt mit einem weiten und eleganten Überstand vor solaren Einträgen im Sommer und verbindet zugleich die Halle visuell und funktional mit dem begrünten Freiraum.

Durch die Überformung und Einbindung des Bestands wird die neugestaltete Halle mit spielerischer Leichtigkeit in eine neue Ästhetik überführt. Aus dem Dialog zwischen Alt und Neu entsteht eine schöne, spannungsreiche Silhouette. Dabei wird die Plastizität architektonisch geschickt aus dem Kontrast zwischen dem massiven Bestandsbau und der ergänzenden leichten Holzkonstruktion herausgearbeitet.

Das gut durchdachte Holztragwerk der Aufstockung reagiert geschickt auf die Zwänge der Bestandsarchitektur und entwickelt daraus ein innovatives Tragwerk, das der Mehrzweckhalle ein unverwechselbares Erscheinungsbild verleiht. Eine Innovative Holzrahmenkonstruktion wurde speziell auf das Raster der bestehenden Stahlbetonkonstruktion angepasst und nutzt die Lastreserven der bestehenden Fundamente optimal. Der Bestand bleibt immer sichtbar und bietet das Rückgrat für die neu ergänzten Elemente.

Auch im Inneren sind die verschiedenen Bauphasen erlebbar, die auf subtile und nie aufdringliche Art die Geschichte des Weiterbauens erzählen. Sehr präzise und gestalterisch überzeugend werden dabei auch die wenigen technischen Einbauten optisch sichtbar geführt.

Neben dem ökologisch sinnvollen Ansatz, die im Bestand gebundene graue Energie weiterzuverwenden, ist so nicht nur ein Erinnerungs-, sondern auch ein ästhetischer Mehrwert entstanden. Die Sanierung der Halle erwies sich auch wirtschaftlich günstiger als ein Neubau. Die Kombination aus Holztragwerk, sichtbaren Laststrukturen, nachhaltiger Materialwahl sowie Gemeinschaftsbeteiligung macht das Projekt zu einem Vorbild moderner, gemeinwohlorientierter Architektur.

Der hier beschrittene Weg der Bestandsnachnutzung kann als Vorbild für die Sanierung vieler weiterer Hallen in Deutschland dienen.