Wie gelingt einfaches, kostengünstiges und ökologisches Bauen von Wohnraum mit einem minimierten Ressourcenbedarf? Das vom Büro foundation 5+ architekten geplante Suffizienzhaus U10 in Kassel soll dies beispielhaft demonstrieren.
Das fünfgeschossige Wohnhaus schließt als Massivholzbau die letzte verbliebene Baulücke am Rand des Martini-Quartiers in Kassel in einer gründerzeitlich geprägten Nachbarschaft. Das Projekt zeigt vorbildlich, wie kostengünstiger Wohnraum und die Minimierung des Ressourcenverbrauchs in Erstellung und Betrieb bei einem neu errichteten Gebäude unter Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards erreicht werden kann.
Auf Grundlage der drei Nachhaltigkeitsstrategien „Reduce – Reuse – Recycle“ und zusammen mit einer engagierten Baugemeinschaft ist ein suffizientes, ressourcenschonendes Gebäude zum gemeinschaftlichen Wohnen entstanden. Die gestalterische Grundidee liegt einer klaren Gebäude- und Fassadenstruktur zugrunde, die den Einsatz unterschiedlicher gebrauchter Materialien und Bauteile integriert. Diese wurden zum Teil erst im Laufe des Bauprozesses gefunden und entweder an die Gestaltung angepasst oder als diese veränderndes Element integriert. Beide Vorgehensweisen führen zu einem individuellen Gebäudecharakter.
Bei der Planung wurde das Leitthema „Reduce“ konsequent umgesetzt. Das beheizte Volumen des Gebäudes wird durch ein Treppenhaus, das außerhalb der thermischen Gebäudehülle liegt, reduziert. Auf ein Kellergeschoss wurde verzichtet, stattdessen fungiert das Dach als ungeheizte gemeinschaftlich genutzte Ebene, auf der beispielsweise Waschküche und Trockenraum untergebracht sind. Geringe Deckenspannweiten reduzieren den Konstruktionsaufwand. Die Haustechnik wurde mit nur einem zentralem Erschließungsstrang umgesetzt. Trotz dieser Reduktion wurde auf eine maximale Nutzungsflexibilität geachtet: Eine aufgelöste Wandscheibe dient als tragende Mittelachse für maximale Flexibilität bei der Grundrissaufteilung. So lassen sich die als WG, Partner- oder Clusterwohnung nutzbaren Ebenen langfristig an verschiedene Lebensentwürfe und die sich ändernden Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner anpassen.
Bei der Wahl der Materialien lag der Fokus auf möglichst ressourcenschonenden, CO2-reduzierten und vorzugsweise nachwachsenden Bauteilen auf Holzbasis. Die Materialien und Verbindungen lassen sich größtenteils rückbauen und recyceln. Für den Großteil des Ausbaus wurden unter dem Leitthema „Reuse – Recycle“ gebrauchte Bauteile verwendet – darunter Innentüren, Heizkörper, Sanitärobjekte und Balkongeländer – oder am Markt als „defekt“ titulierte Bauteile wie Holzfenster und Fassadenplatten verbaut. Auch Altmaterialien wie Klinker, Wellblech, Schieferplatten, überschüssige Fliesen und Betonplatten wurden verwendet. Das experimentelle Bauen mit Produktionsresten, gebrauchten oder fehlproduzierten Bauteilen birgt einen neuen gestalterischen Reiz, verringert die CO2-Emissionen und trägt so zu einem ressourcenschonenden Bauprozess bei.
Schlussendlich zeigt das Suffizienzhaus U10, wie durch den gemeinschaftlichen Prozess und die Summe der Maßnahmen nicht nur der CO2-Fußabdruck für die Erstellung des Gebäudes im Vergleich zu einem konventionellen Neubau auf ein Drittel reduziert werden und ein energetischer Standard deutlich unter den gesetzlichen Mindestvorgaben (Effizienzhaus 55) bleiben kann, sondern auch, wie die Investitionskosten erheblich reduziert werden können.
Hervorzuheben sind neben der nachhaltigen Bauweise und dem hohen Anteil von gebrauchten Baumaterialien die kooperative Planung und Umsetzung zusammen mit der Baugemeinschaft, der hohe Anteil an gemeinschaftlichen Nutzungen und das kooperative und selbstverwaltete Vermietungsmodell.