Jurybegründung zur Nominierung

Erweiterung Werk II Fa. elobau, Leutkirch

Industriebauten sind auch heute allzu oft immer noch das notwendige, unvermeidbare Übel: sie beanspruchen große Flächen auf der ‚grünen Wiese‘, sollen zu geringstmöglichen Investitionskosten errichtet werden und sparsam im Betrieb sein. Da bleibt vermeintlich wenig Gestaltungspielraum, um gut nutzbare Räume für die Mitarbeitenden zu schaffen, die auch einen architektonisch angemessenen Ausdruck und eine vertretbare Nachhaltigkeitsbilanz aufweisen.

In Leutkirch ist dies und noch mehr aber gelungen: f64 Architekten und Stadtplaner GmbH haben gemeinsam mit der Bauherrschaft, der elobau GmbH & Co. KG, mit der Erweiterung des Werks II für Sensor-Technologie, einen sowohl hinsichtlich der Aufenthaltsqualität für die Nutzerinnen und Nutzer, den heute zu stellenden Anforderungen eines emissions- und ressourceneffizienten Herstellens und Betreibens und nicht zuletzt auch der architektonischen Qualität und Einbindung in den regionalen Kontext vorbildgebenden Nutzbau geplant und errichtet.

Der eingeschossige Erweiterungsneubau umfasst zwei Hallen mit Produktions- sowie Büroarbeitsplätzen, die flexibel in den Hallen untergebracht werden können. Die, auf Basis energetischer und Tageslicht-Simulationen optimierte Ausrichtung des Sheddach-Gebäudes erlaubt eine blendfreie Belichtung, sodass auf eine künstliche Beleuchtung größtenteils verzichtet werden kann. Den Eigenstrombedarf deckt die PV-Anlage auf den, nach Süden ausgerichteten Dachflächen. Weiterer Energiebedarf wird  über eine nahe gelegene Biogasanlage abgedeckt. Fossile Brennstoffe kommen nicht zum Einsatz. So erreicht das Gebäude einen Energie-Plus-Standard und klimapositiven Betrieb.

 

Das Sheddach ist als Holzkonstruktion aus Brettschichtholz (Nadelholz) und Baubuche realisiert. Die Außenwandelemente sind als gedämmte Holzrahmenelemente mit einer hinterlüfteten Lärchenschindelbekleidung ausgeführt. Nur die Bodenplatte und eingespannten Stützen sind aus Stahlbeton ausgeführt. Somit ist von vergleichsweise geringen grauen Emissionen für die Baukonstruktion auszugehen. Die zukünftige, dritte Erweiterung der Hallen ist bereits vorgedacht: die Dämmschicht der temporären Außenwand ist elementweise demontierbar und kann in der Außenwand des Anbaus weiterverwendet werden. Der von regional ansässigen Firmen ausgeführte Bau nutzt vorrangig lokale Bauprodukte; der erlebbare Holzbau und die Lärchenholzschindelfassaden beziehen sich auf lokale Bautraditionen.

Für die Mitarbeitenden entstehen eng miteinander verknüpfte Büro- und Produktionsbereiche auf ‚Augenhöhe‘: Sichtbeziehungen werden ermöglicht, der gegenseitige Austausch gefördert. Die Raumkonfiguration ist flexibel: die Trennwände aus Glas können umgesetzt werden; so können die Bereiche an geänderte Bedarfe angepasst werden. Die, für die Nutzer erlebbaren innenräumlichen Qualitäten werden ergänzt durch eine, für den Standort im Industriegebiet bemerkenswert ambitionierte Außenraumgestaltung: Blühflächen und Retensionsmulden als wechselfeuchte Biotope begünstigen heimische Pflanzenarten, so dass sich bereits Bienen angesiedelt haben.

Die Jury würdigt das erfolgreiche Bestreben der Projektbeteiligten, die an das Bauen von Heute zu stellenden ökologischen Anforderungen und sozialen Aspekte der Nutzenden für einen Neubau für Produktion und Verwaltung miteinander zu vereinbaren.