Lagerhallen gelten im Zuge von Konversionen allgemein als „negative Grundstückslast“. Sie werden häufig schon vor der städtebaulichen Planung als vorbereitende Maßnahme abgerissen, um der künftigen Entwicklung nicht im Wege zu stehen. Verloren gehen dabei nicht nur die im Bauwerk gebundene sogenannte graue Energie, sondern häufig die Identität und der Charakter der atmosphärischen Werte.
Nicht so in Mannheim, wo das U-förmige ehemalige Distributionszentrum der amerikanischen Streitkräfte auf ihre Nutzbarkeit für Zwecke der Bundesgartenschau BUGA2023 durch ein konkurrierendes Planungsverfahren untersucht wurde. Das Gewinnerbüro Hütten & Paläste hat das schlichte Bauwerk mit beeindruckender Länge von ca. 700 Metern und 20.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche zu einem prägnanten und charaktervollen Funktionsbau für Veranstaltungs-, Ausstellungs- und Gastronomieflächen der BUGA umgebaut. So konnten einerseits Neubauten für die temporäre BUGA-Ausstellung vermieden und andererseits Impulse für ein zeitgemäßes und spannendes Nachnutzungskonzept durch Kultur- und Freizeitnutzungen gesetzt werden.
Im Wechsel von geschlossenen und ausgebauten Hallenteilen, in denen nur noch das Tragwerk wie ein Pergolenraster den öffentlichen Freiraum überspannt, wird das Potential des Bestandes überzeugend in die Zukunft geführt. Es entsteht mit der U-Halle ein architektonisch überzeugendes Bauwerk, das so im Neubau kaum vorstellbar wäre und deshalb über seine stoffliche und ressourcenmäßige Nachhaltigkeit hinaus die immaterielle „goldene Energie“ des Bestandes in die Zukunft führt. Durch die segmentweise Öffnung von Hallenabschnitten konnte das bisher riegelhafte Gebäude besser in die Landschaft integriert werden. Neue Wegeverbindungen wurden geschaffen und die Öffnungen aktivieren eine klimaökologisch wichtige Kaltluftschneise Mannheims, die insbesondere im Sommer einen Beitrag gegen die Überhitzung der Innenstadt leistet. Die Rücknahme von versiegelten Flächen und die Begrünung und Berankung von Hallenteilen ist ein zudem positiver Beitrag zur Klimaanpassung und zur Stärkung von Biodiversität.
Beim Umbau konnten über den erhaltenen Bestand hinaus teilweise vorhandene Bauteile unverändert wiederverwendet oder ergänzend zur Ertüchtigung von Bauteilen eingesetzt werden. Alle Umbauten wurden weitestgehend zirkulär, das heißt mit lösbar verbundenen Baumaterialien ausgeführt. Die Zirkularität bekommt darüber hinaus einen partizipativen Aspekt: durch Zerlegen und Wiederaufbau können Bauteile direkt vor Ort dazu verwendet werden, neue Raumzusammenhänge für spätere, bisher noch unbekannte Nutzungen selbst herzustellen. Dadurch wurde die einst monofunktionale Lagerhalle in ein multifunktionales, nachhaltig veränderbares Gebäude umgewandelt und fit für weitere Lebenszyklen gemacht.
Das mehr als überzeugende Umbauergebnis ist nicht nur der Kreativität und Konsequenz der beteiligten Planungsbüros zu verdanken – von der BUGA-Rahmenplanung bis zum Bauwerksentwurf, sondern auch dem Mut der auftraggebenden Stadt Mannheim, vertreten durch die Bundesgartenschau Mannheim 2023 gGmbH, die trotz überschaubaren Budgets die Herausforderung der Bestandsnutzung angenommen hat. Der Erfolg spricht für sich und schafft eine bundesweite und internationale Referenz für die Weiternutzung von Bauwerken als Grundstock jedweder Nachhaltigkeit. Wünschenswert wäre, dass auch nach der Bundesgartenschau möglichst viele der geschaffenen Raumangebote weiter genutzt werden.
Die Jury sieht in dem ambitionierten Projekt einen überzeugenden und ästhetisch anspruchsvollen Beitrag zu nachhaltigem Bauen und Umbauen und zu einer zeitgemäßen neuen Umbaukultur.
Projektbeteiligte: Bundesgartenschau Mannheim 2023 gGmbH, Hütten & Paläste - Schönert Grau Architekten Part mbB, SBI GmbH, Stümpert-Strunk GmbH, Dr. Matthias Ernst, EFG Ingenieure