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Nachhaltiges Bauen in die Breite bringen.

Wie können Netzwerke wie das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit helfen, die Bauwende zu beschleunigen? Darüber wurde in einem Dialogforum beim diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreis diskutiert.

Ideen und Konzepte für nachhaltigeres Bauen und Wohnung liegen auf dem Tisch – aber wie bekommt man diese von den Leuchtturmprojekten in jede Baustelle, im Bestand und im Neubau?

Almut Grüntuch-Ernst vom Architekturbüro Grüntuch Ernst Architekten, dem diesjährigen Gewinner des Architekturpreises des Deutschen Nachhaltigkeitspreises, forderte von Architekt*innen, proaktiver zu agieren. Allerdings würden Studierende in der Ausbildung darauf kaum vorbereitet. „Ich versuche das in meiner Lehrtätigkeit an der TU Braunschweig: Die Studierenden darauf vorzubereiten, nicht nur auf Bestellung zu arbeiten. Sondern Wunschproduktionen vorzulegen, bei den Bauherren ins Gespräch zu bringen, proaktiv sozialen und ökologischen Mehrwert ins Bauen zu bringen. Ich wünsche mir auch, dass dies mehr von der Politik eingefordert wird.“

Um die Formulierung von Ansprüchen geht es auch in Heidelberg. Jürgen Odszuck, Erster Bürgermeister der Stadt Heidelberg, berichtete von einem Bauprojekt, in dem die Stadt Kreislauffähigkeit durch Urban Mining fördert: „Bei diesem Umnutzungsprojekt einer ehemaligen US-Kaserne haben wir uns gefragt, was machen wir mit den Materialien? Und der Anspruch war: Keine Tonne Bauschutt verlässt dieses Areal. Das wird natürlich nicht hundertprozentig funktionieren, aber man muss solche Ansprüche formulieren.“

Das Stichwort Ressourcen wurde auch von Architektin Annabelle von Reutern von Concular aufgegriffen. Das Unternehmen arbeitet an digitalen Lösungen, um das zirkuläre Bauen zu befördern. „Beim Bauen geht es nicht nur um Energieeffizienz, wir brauchen auch Ressourceneffizienz. Bestandserhalt ist die oberste Priorität, und bei den Ressourcen geht es eben um Wiederverwendung. Concular will das als eine Art ‚Tinder für Baustoffe‘ bereits auf der professionellen Planungsebene erleichtern, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.“ Sie betonte: „Wir warten nicht auf die Politik. Wir machen jetzt einfach. Und wir wollen andere mit diesem Spirit anstecken: Weg von der linearen Wirtschaft, die den Planeten zerstört, hin zur Kreislaufwirtschaft.“ Von Reutern forderte mehr Tempo von der Politik, beispielsweise bei der Einführung eines Materialpasses für Gebäude, oder einer verpflichtenden Prüfung vor Rückbau oder Abbau, welche Materialien aus dem Gebäude wiederverwendet werden können.

Transformation als größtes Bauprojekt

Stefan Bauernfeind, Leiter des Referats Nachhaltige Entwicklung im Bundeskanzleramt, setzte hier Hoffnungen in die neu gestarteten Transformationsteams der Bundesregierung, die als ein Schwerpunktthema auch Nachhaltiges Bauen in den Blick nehmen: „Bauen muss umfassend gedacht werden – Ressourcen, Biodiversität, Klima. Die Transformationsteams sollen schauen, wie sie das Thema insgesamt vorbringen: Transformation als größtes Bauprojekt.“

An diesen Transformationsbereich knüpft auch das neue Plattformprojekt „Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit“ an. Das von Bund und Ländern initiierte Projekt Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit wird vom Rat für Nachhaltige Entwicklung koordiniert. 2023 sollen im Rahmen des Gemeinschaftswerks alle relevanten gesellschaftlichen Akteure an gemeinsamen Lösungen zum ersten Schwerpunktthema „Nachhaltiges Bauen und Wohnen“ erarbeiten. Ein Thema, das alle Menschen ganz unmittelbar betrifft und viele Belange der Nachhaltigkeit berührt: von Flächennutzung, über Energieeffizienz, Klimaschutz bis hin zu Fragen der sozialen Ungleichheit. Das Ziel ist, gute Vorbilder bekannt zu machen, neue Netzwerke über den Bau- und Immobiliensektor hinaus zu bilden und damit die dringend notwendige Transformation zu beschleunigen.

Das Gewinnerprojekt des Architekturpreises

Ein solches gutes Vorbild der Bauwende ist das Gewinnerprojekt des diesjährigen Architekturpreises. Die 2022 zum 10. Mal verliehene Auszeichnung ging in diesem Jahr an das Hotel WILMINA in Berlin, ein Bauprojekt der Grüntuch Ernst Architekten. Ein ehemaliges Frauengefängnis wurde in einen innerstädtischen Ruheraum umgewandelt und gilt als hervorragendes Beispiel für die Nachverdichtung im Gebäudebestand mit minimalem C02-Fußabdruck bei gleichzeitiger Entsiegelung und Renaturierung von Flächen. Das Hotel, das darüber hinaus als Veranstaltungsort dient und Bürogebäude beinhaltet, ist mit einem renaturierten und entsiegelten Innenhof, Fassadenberankung und begrünten Flachdächern ausgestattet, welche die Biodiversität fördern und ein angenehmes Mikroklima schaffen.

Durch die Konversion der denkmalgeschützten Struktur wurden CO2-Emissionen, Bauschutt und der Aufwand für An- und Abtransport im Vergleich zu einem möglichen Neubau signifikant reduziert. Im Gebäude abgebrochenes Material wie Ziegel oder Treppenstufen wurden vor Ort wiederverwendet. Die thermisch wirksame Masse der bestehenden Bausubstanz führt zu einer passiven Regulierung der klimatischen Bedingungen und zu einem robusten Verhalten, so dass die Anforderungen an die technische Gebäudeausrüstung auf ein Minimum reduziert und ein konsequenter Low-Tech-Ansatz verfolgt wurde.

 

Autor
Rat für Nachhaltige Entwicklung