„Wir freuen uns, dass bei den diesjährigen Bewerbungen eine große Anzahl an Projekten mit dabei war, die in vielfältiger Form das Potenzial für Klimaschutz und Ressourcenschonung in unserem Gebäudebestand ausschöpfen“, resümiert Prof. Amandus Samsøe Sattler, DGNB Präsident und Juryvorsitzender des Deutschen Nachhaltigkeitspreises Architektur. „Die Finalisten zeigen auf besonders gelungene Art und Weise, wie wir Architekturgeschichte über Jahrzehnte fortschreiben können, adressieren Themen wie Urban Mining, also die Nutzung der wertvollen Rohstoffe im Gebäudebestand, und erschaffen neue Welten in baulichem Erbe. Sie sind damit große Vorbilder für die so dringende Bauwende, die wir nur aus dem Bestand heraus schaffen.“
Pionier des Urban Mining: Rathaus Korbach
Das neue Rathaus in der Kreis- und Hansestadt Korbach ist eine Kombination aus der Sanierung des mittelalterlichen Gebäudes sowie einem Neubau, der anstelle eines Erweiterungsbaus aus den 1970er-Jahren trat. Letzterer wurde sorgfältig zurückgebaut, sodass ein Großteil der Ressourcen wieder Verwendung im Neubau fand. Zugleich erzeugten die Architekten ein identitätsstiftendes Gesamtbild durch das Fortschreiben der vorhandenen Dachlandschaften und einer Formensprache, die sich zurückhaltend in das Bild der Innenstadt einfügt. Die Jury würdigt das Projekt als Pionier des Urban-Mining-Prinzips bei gleichzeitig hohem Anspruch an die Baukultur.
Bestand gelungen weitergedacht: Erweiterungsbau Landratsamt Starnberg
Der Erweiterungsbau des Landratsamtes Starnberg ist ein zweigeschossiges Hybridgebäude aus Holz, Stahl und Beton in modularer Bauweise. Obwohl über drei Jahrzehnte zwischen Bestand und Neubau liegen, fügt er sich gestalterisch nahtlos in das bereits 1987 fertiggestellte Landratsamt ein, das wie selbstverständlich in die bayrische Seenlandschaft eingebettet ist. Zugleich wurden die Materialien und energetischen Standards auf heute vorherrschende Ansprüche angepasst. Honoriert wurde das Projekt für den behutsamen Umgang mit dem Bestand sowie dessen gelungenem Weiterdenken in Form, Materialität und Konzeption.
Umnutzung der besonderen Art: Hotel Wilmina, Berlin
Beim Hotel Wilmina in Berlin handelt es sich um eine Konversion einer denkmalgeschützten Baustruktur – einem ehemaligen Gerichtsgebäude und Frauengefängnis. Bei maximalem Erhalt des Bestands zeigt der Umbau, wie ein beklemmender Ort der Justiz für eine unbelastete Nachnutzung umgestaltet werden kann. Hervorzuheben ist auch die intensive Begrünung im Innenhof für ein angenehmes Mikroklima und zur Stärkung der Biodiversität. Die Jury lobt das Projekt als hervorragendes Beispiel für die Nachverdichtung im Gebäudebestand bei gleichzeitig verantwortungsvollem Umgang mit einem schwierigen Erbe.
Nachhaltiger Ort des Lernens: IGS Integrierte Gesamtschule, Rinteln
Die IGS Integrierte Gesamtschule Rinteln im Landkreis Schaumburg ist ein zweigeschossiger Neubau in Holz-Beton-Hybridbauweise, der einen bestehenden Schulcampus vervollständigt. Das ehemalige Schulgebäude wird dabei nicht abgerissen, sondern für die Gemeinde weiter genutzt. Raumprägendes Gestaltungselement des Neubaus ist der nachwachsende Rohstoff Holz. Dieser stammt zu großen Teilen aus regionaler Forstwirtschaft und wird in Bauteilen so eingesetzt, dass er für zukünftige Veränderungen leicht demontierbar ist. Die Jury betont die pädagogische Wirkung der klimaschonenden Schularchitektur, die für Lernende und Lehrende sicht- und erlebbar wird.
Fachjury bestimmt auch Siegerprojekt
Ermittelt wurden die Finalisten von einer hochkarätigen Fachjury mit Expert:innen aus Architektur, Bauen und Gesellschaft. Dieses von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis und der DGNB ernannte Preisgremium wählt auch das Siegerprojekt aus, das bei der Preisverleihung im Rahmen des 15. Deutschen Nachhaltigkeitstages am 1. und 2. Dezember 2022 in Düsseldorf bekanntgegeben wird.
Die diesjährigen Jurymitglieder sind
- Prof. Thomas Auer, Lehrstuhlleitung für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen TUM
- Martin Haas, Inhaber haas cook zemmrich STUDIO 2050
- Angelika Hinterbrandner, Partnerin Kontextur und spaceforfuture.org
- Prof. Dr.-Ing. Anke Karmann-Woessner, Leiterin Stadtplanungsamt Stadt Karlsruhe
- Markus Lehrmann, Hauptgeschäftsführer Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
- Reiner Nagel, Vorsitzender des Vorstands Bundesstiftung Baukultur
- Prof. Amandus Samsøe Sattler, Inhaber ensømble studio architektur Berlin
- Marika Schmidt, Geschäftsführerin mrschmidt Architekten GmbH Berlin
- Prof. Dr. Guido Spars, Gründungsdirektor Bundesstiftung Bauakademie
Weitere Informationen sowie alle Jurybegründungen im Detail gibt es unter www.nachhaltigkeitspreis.de/architektur.
Die Finalisten mit den ausgewählten Projektbeteiligten in der Übersicht:
Rathaus Korbach
- Bauherr: Kreis- und Hansestadt Korbach
- Architekturbüro: Arbeitsgemeinschaft agn Niederberghaus & Partner GmbH und heimspiel architekten Matzken Kampherbeek PartGmbB
- Tragwerksplanung und Bauphysik: EFG Beratende Ingenieure GmbH
- Energiekonzept (HKLS): sweco GmbH
- Beleuchtungskonzept: INDI*LIGHT GbR
- Fachplanung Elektro: ibb Burrer & Deuring Ingenieurbüro GmbH
- Fassade: Hering Bau GmbH & Co. KG
- Urban-Mining-Konzept: energum GmbH mit bimolab gGmbH
Erweiterungsbau Landratsamt Starnberg
- Bauherr: Landratsamt Starnberg
- Architekturbüro: Auer Weber Assoziierte GmbH
- Tragwerksplanung: Behringer Beratende Ingenieure GmbH
- Technische Gebäudeausrüstung: mathias baumann ingenieurbüro
- Elektro- und Aufzugsplanung: Ingenieurbüro Knab GmbH
- Bauphysik: Ingenieurbüro BRAUN – HAAS + PARTNER beratende Ingenieure mbB
- Brandschutzplanung: Kersken + Kirchner GmbH
- Freianlagenplanung: LUSKA FREIRAUM GmbH
- Bodengutachten: Grundbaulabor München GmbH
- Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator: Andreas Wittwer
Hotel Wilmina, Berlin
- Bauherr: Wilmina GmbH
- Architekturbüro: Grüntuch Ernst Architekten BDA
- Tragwerksplanung: GTB - Berlin Gesellschaft für Technik am Bau mbH, Studio C
- Haustechnik: Ingenieurbüro Weltzer
- Beratung Gartengestaltung: atelier le balto und Christian Meyer Garten- und
- Bepflanzungsplanung
IGS integrierte Gesamtschule, Rinteln
- Bauherr: Landkreis Schaumburg, Stadthagen
- Architekturbüro: Bez + Kock Architekten Generalplaner GmbH
- Örtliche Bauleitung: Ernst2 Architekten AG
- Tragwerksplanung: Wetzel und von Seht
- Bauphysik: ISRW Dr.-Ing. Klapdor GmbH
- Freianlagenplanung: Büro für Freiraumplanung Christine Früh
- HLS-Planung: reich + hölscher ingenieurbüro
- Elektrotechnik-Planung: Schröder & Partner Beratende Ingenieure VBI für Elektrotechnik
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis ist die nationale Auszeichnung für Spitzenleistungen der Nachhaltigkeit in Wirtschaft, Kommunen und Forschung. Mit acht Wettbewerben (darunter der Next Economy Award für „grüne Gründer:innen“), über 1.000 Bewerber:innen und 2.000 Gästen zu den Veranstaltungen ist der Preis der größte seiner Art in Europa. Die Auszeichnung wird vergeben von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, kommunalen Spitzenverbänden, Wirtschaftsvereinigungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschungseinrichtungen. Rahmen für die Verleihung ist der Deutsche Nachhaltigkeitstag in Düsseldorf, die meistbesuchte jährliche Kommunikationsplattform zu den Themen nachhaltiger Entwicklung.
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
2007 gegründet, ist die DGNB heute mit mehr als 1.600 Mitgliedsorganisationen Europas größtes Netzwerk für nachhaltiges Bauen. Ziel des Vereins ist es, Nachhaltigkeit in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu fördern und im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit zu verankern. Mit dem DGNB Zertifizierungssystem hat die unabhängige Non-Profit-Organisation ein Planungs- und Optimierungstool zur Bewertung nachhaltiger Gebäude, Innenräume und Quartiere entwickelt, das dabei hilft, die reale Nachhaltigkeit in Bauprojekten zu erhöhen. Dabei fußt das DGNB System auf einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnis, das die Umwelt, den Menschen und die Wirtschaftlichkeit gleichermaßen einbezieht. Über die Fort- und Weiterbildungsplattform DGNB Akademie wurden zudem bereits über 7.000 Personen in 45 Ländern zu Experten für nachhaltiges Bauen qualifiziert.